Saucha bedeutet Reinheit. Es geht dabei nicht um äußere Sauberkeit des Körpers sondern um innere Sauberkeit. Metaphorisch betrachtet vor allem um die Reinheit der Gedanken.
Sutra 2.40 Die Reinheit führt zur Nicht-Identifikation mit dem Körper und zur Freiheit im Kontakt mit anderen.
Kausthub Desikachar
Um zu verstehen, was mit diesem Vers gemeint ist, muss man etwas weiter ausholen. Die Verse aus dem Yoga-Sutra sind so knapp gefasst, dass man sie ohne Erläuterung nicht verstehen kann. In der Yogaphilosophie der damaligen Zeit galt der Körper als eklig. Im Körper sammeln sich Giftstoffe aus der Nahrung an. Deshalb gilt es noch heute in Indien, den Körper auch innerlich zu reinigen. Zum Beispiel mit Dhauti. Da schluckt man eine 5 Meter lange Mullbinde und zieht sie wieder heraus. Das soll die Speiseröhre und den Magen reinigen. Das finde ich wiederum eklig. In der medizinischen Schwesterdisziplin des Yoga, dem Ayurveda, ist Krankheit die Folge einer Ansammlung von Giftstoffen. Auch dort liegt das Hauptaugenmerk auf dem Ableiten toxischer Ablagerungen und dem Zuführen reiner (sattvischer) Nahrung. Nur ein gesunder Körper ist für die Inder schön.
Keiner wird bestreiten, dass der Körper vergänglich ist und mit dem Alter seine Schönheit verliert. Diese Anschauung können wir mit den Indern teilen. Auch dass es neben dem Körper eine unvergängliche Seele gibt, entspricht dem bei uns weit verbreiteten christlichen Glauben. Doch wir sind nicht so körperfeindlich wie die Inder zu Patanjalis Zeit. Der Körper war ein Teil der Materie, damals Prakriti genannt. Er galt als Feind, den man überwinden musste. Die Seele, Purusha, konnte man erst dann erkennen, wenn man die strengen Regeln der Yama und Niyama befolgte und auch die restlichen sechs Pfade des Yoga (Asanas, Pranayama und Meditation) regelmäßig übte.
Sutra 2.41 Die Reinheit im Geist führt zu einer freundlichen Haltung. Diese wiederum führt zur Fähigkeit der Konzentration, diese zur Beherrschung der Sinne. Erst dann ist die Selbsterkenntnis möglich.
In Anlehnung an die Übersetzung von Kausthub Desikachar
Um zur Erleuchtung oder Selbsterkenntnis zu kommen, muss auch der Geist gereinigt werden. Nach dem hinduistischen Glauben sammeln wir durch schlechte Gedanken und Handlungen toxische Ablagerungen im Geist an. Darüberhinaus tragen wir auch noch die Ablagerungen unserer Ahnen in uns. Das ist eine schwere Last, die wir tragen. Wir können diese nur durch gute Gedanken und Handlungen ausgleichen. Es gibt keinen barmherzigen Gott wie im Christentum, der unsere Sünden verzeiht, wenn wir bereuen. Umso wichtiger ist das Gebot der Reinheit. Patanjali widmete diesem Gebot zwei von 196 Versen und zeigte damit die Wichtigkeit.
Anleitung zur Meditation über Saucha:
Setz Dich aufrecht und richte Deine Aufmerksamkeit auf den Atem. Bleib so für einige Zeit sitzen. Dann sprich das Mantra “So Ham” leise vor Dich hin. Beobachte, wie Dein Körper immer mehr in den Hintergrund tritt. In den Vordergrund tritt die Seele. Du erfährst sie in einem klitzekleinen Raum am Herzen sagen die alten philosophischen Schriften der Veden. Und über diesen Ort kommst Du in Verbindung mit Gott (ishvara).
Dann komm zurück in die Wahrnehmung Deines Körpers und des Atems. Bleibe so ein paar Atemzüge sitzen und beende die Meditation.