Brahmacharya bedeutet Mäßigung oder ursprünglich sexuelle Enthaltsamkeit. Nur so ist es möglich in den Fußstapfen Gottes (Brahman) zu wandeln. Die Sexualität ist ein mächtiger Trieb. Wer ihn beherrscht erlangt große Lebenskraft, das ist der Glaube vieler Religionen. Doch so manchen Geistlichen überfordert diese Anforderung gewaltig. Statt ihm Kraft zu verleihen, zieht sie ihn hinab in die Abgründe des sexuellen Missbrauchs.
Bis ins vorletzte Jahrhundert wurde Yoga nur von Lehrer zu Schüler weitergegeben. Wer Yoga lernen wollte, musste sich zu einer mönchischen Lebensweise verpflichten. Einsam in Ashrams (Einsiedeleien) lebten die Asketen. Erst im letzten Jahrhundert wurde Yoga auch für Menschen zugänglich gemacht, die ein normales Familien- und Arbeitsleben führen. Für diese wird Brahmacharya weniger streng als Mäßigung ausgelegt. Sexualität in der Ehe oder in einer festen Partnerschaft gelten als tugendhaft. Noch lockerer ausgelegt genügt es, gewaltfreien Sex zu leben.
Das Gebot der Mäßigung lässt sich auf alle anderen Sinne ausdehnen, auch auf das Essen. In den Industrieländern wird maßlos gegessen. Konsequenz daraus ist, dass mehr als 50% der Menschen dort Übergewicht haben. Über 10% der Deutschen leiden sogar an massivem Übergewicht (Adipositas), das mit einem hohem Gesundheitsrisiko verbunden ist. Dagegen ist das jährliche Fasten fester Bestandteil vieler Religionen. Zum Beispiel führt schon eine kurze Zeit des Verzichts beim Genussmittel Kaffe zu einem großartigen Geschmackserlebnis der ersten Tasse. Übermäßiger Konsum schwächt die Sinne, Enthaltsamkeit dagegen stärkt sie.
Anleitung zur Meditation über Brahmacharya:
Setze Dich in den Schneidersitz oder auf einen Stuhl. Nimm Deinen Atem wahr und lass die Gedanken zur Ruhe kommen. Welche Sinne kannst Du durch Verzicht schärfen? Wo hast Du bei Dir in der letzten Zeit Maßlosigkeit erlebt? Lass Dir einen Moment Zeit, um darüber nachzudenken. War das im Essen, im Schlafen, Urlaub machen oder Shoppen? Was fällt Dir spontan ein?
Dann nimm Dir vor, hierauf zu fasten. Werde dabei möglichst konkret. Wie lange willst Du fasten und wieviel? Überlege Dir, durch was Du dafür belohnt wirst. Zum Beispiel mit mehr Geschmack oder mit gespartem Geld, das Du für etwas anderes verwenden kannst. Was kannst Du damit Gutes auch für andere tun? Stell Dir genau vor, wofür Du dies verwenden willst.
Dann komme zurück in die Wahrnehmung Deines Körpers und des Atems. Bleibe so ein paar Atemzüge sitzen und beende die Meditation. Setze Deine Vorsätze um. Verwirkliche das, was Du Dir gedacht hast.