Es ist so, als würde die medizinische Forschung allein für die Etablierung von Yoga arbeiten, jetzt durch die neuen Erkenntnisse über Faszien. Auch der letzte Hauch von Esoterik ist verschwunden. Keiner zweifelt mehr: Yoga heilt und mausert sich zum wesentlichen Element in der physiotherapeutischen Therapie bei Schmerzen. Wer medizinische Beweise sucht, der findet sie in der Faszienforschung.
Faszien sind feine Fasern, die netzartig den ganzen Körper durchziehen. Die Beweglichkeit des Körpers hängt vor allem vom Fasziennetzwerk ab. Lange myofasziale Ketten durchziehen den ganzen Körper. Diese werden “durch Dehnung und Scherkräfte trainiert und stimuliert, weniger durch Kompression”… “Wenn man die Wade oder die Plantarfaszie dehnt, wirkt sich das auf den Rücken und auf die Hüftgelenksbeugung aus.” Faszien können sich unabhängig von Muskeln verspannen und Schmerzen auslösen. Seit ein paar Jahren lassen sich Faszien mit Ultraschall in Zehntel-Millimetern messen. Wenn ein chronischer Schmerzpatient verdickte Rückenfaszien hat, ist das funktionell bedeutsam und kann heute gemessen werden. Sichtbar werden Risse, Narben und Entzündungsprozesse der Lendenfaszie.
Ein völlig neues Verständnis der Körperwahrnehmung hat sich mit den Erkenntnissen der Faszienforschung entwickelt. Dachte man früher, dass Nervenimpulse in Muskeln und Sehnen die Wahrnehmung unseres Körpers in der Bewegung ermöglichen, weiß man heute mehr. Faszien sind das wichtigste Sinnesorgan für die eigene Körperhaltung und Bewegung, die gesamte Körper-Innenwahrnehmung. Faszien haben eine dichtere Nervenbesiedelung als Muskeln und Gelenke. “Die Feinwahrnehmung des eigenen Körpers wird vor allem durch diese Rezeptoren gewährleistet, und zwar bei Gleit- und Scherbewegungen von Faszienschichten in Relation zueinander”.
Faszien und Yoga
Achtsame Yogaübungen sind die “geniale Methode, um die in den Faszien befindlichen Nervenverbindungen zu verfeinern. Die neue Forschung hat ergeben, dass sich über das Rückenmark die Propriozeption und die Schmerzempfindsamkeit gegenseitig hemmen. Also: Wenn jemand myofasziale Schmerzen hat, geht seine Körperwahrnehmung leider in den Keller. Wenn umgekehrt die Köperwahrnehmung gesteigert wird, hat der Schmerz keine Möglichkeit mehr.”
Bei Stubenhockern, Schreibtischtätern und älteren Menschen sind die faszialen Gewebe verfilzt. Da hilft Yoga schon nach kurzer Zeit. Insbesondere bei langsamen Dehnungen wird aus dem Fasziengewebe – wie aus einem Schwamm – Flüssigkeit herausgepresst. Dies führt zum Abbau von hartem, verfilztem Bindegewebe. Das Gewebe wird schon nach einigen Stunden weicher. Eine Regeneration der Faszien ist erst nach einem Jahr spürbar, dann haben sich die Kollagenfasern in unserem Körper erneuert. Das Fasziennetz ist insgesamt elastischer, belastbarer und nicht mehr so verletzungsanfällig.
“Gesunde Faszien sind fest und elastisch zugleich, biegsam wie Bambus und reißfest wie ein Zugseil aus Seide.” Yoga und Faszien, Interview mit Dr. Robert Schleip von Susanne Noll, in Yoga Journal Nr. 3 Mai/Juni 2014