Wenn ich erklären soll, was Chakras sind, komme ich ganz schön ins Schlingern. Natürlich kann ich wiederholen, was ich in Büchern gelesen habe. Chakra ist Sanskrit und heißt übersetzt Energierad. Die Chakralehre sagt, dass es sechs Energieräder entlang der Wirbelsäule gibt, jeden in einer anderen Farbe. Ich stelle mir kleine Ventilatoren vor, die um meine Wirbelsäule kreiseln. Jeder Ventilator leuchtet in einer anderen Farbe. Ganz unten rot, dann orange, gelb, blau und oben violett. Farben sind nichts anderes als elektromagnetische Strahlen also Energie. Was wir als Rot erkennen, schwingt im unteren Frequenzbereich, Lila im oberen. Während mein roter Ventilator langsam vor sich hin brummt, nervt der violette durch schrilles Fiepen. Ich stecke meinen Bleistift hinein. Stille mit fatalen Folgen. Wenn die Energie nicht richtig verteilt wird, kommt es womöglich zu einem Hitzestau. Brandflecken entlang meiner Wirbelsäule, eine unangenehme Vorstellung.
Zweiter Versuch der Erläuterung ohne Brandflecken: Ich darf nicht zu konkret werden. Chakras als etwas Magisches, eine Erklärung auf der esoterischen Schiene? Da ich muss mich nicht länger mit physikalischen Gesetzen herumplagen. Zum Beispiel so: Eine Blockade im Chakra (siehe oben Bleistift im Ventilator) führt zu einem Ungleichgewicht auf psychischer Ebene. Energie als Gefühl und nicht als E = mc². Ich fühle mich gleich energiegeladener. Wenn ich erst einmal diesen Schritt gemacht habe, lässt es sich leichter fabulieren. Ich google nach dem Begriff Chakra. Mir wird dabei ganz schwummerig. Was ich lese, sind die Heilsversprechen ohne wissenschaftliches Fundament: Man muss nur ein bestimmtes Chakra öffnen und schon verschwinden Krankheiten. Natürlich gibt es etwas jenseits der Wissenschaft. Aber das ist Glaube. Oder noch viel schlimmer Aberglaube.
Dritter Versuch ohne Heilsversprechen durch die Schulmedizin: Bisher gibt es keine Untersuchungen, die das Gefühl von Energie messbar machen. Weder Erschöpfung noch Leistungsfähigkeit können bisher durch einen physiologischen Zustand beschrieben werden. Es bleibt bei einem subjektiven Erleben. „Die Wirksamkeit energiemedizinischer Behandlungsverfahren ist nicht durch kontrollierte klinische Studien belegt. Von den Befürwortern werden stattdessen meist persönliche Erfahrungen und anekdotische Fallbeschreibungen angeführt, die nur eine geringe Evidenz haben.“ kritisiert das Medizinportal DocCheck. Da ist sicher noch viel Forschungsarbeit zu leisten. Aber es heißt, wer heilt, der hilft und Yoga wird als Therapie bei Erschöpfungszuständen medizinisch empfohlen.
Es gibt Versuche, die moderne Anatomie auf das alte Wissen der Chakras abzubilden. So wird z.B. dem Nabelchakra die Bauchspeicheldrüse und der Solarplexus zugeordnet. Inwieweit sich eine Drüse durch Akupressur beeinflussen lässt, mag ich zu bezweifeln. Dagegen wird ein Nervengeflecht sehr sensibel auf äußere Einflüsse durch Druck reagieren. Der Solarplexus ist mit vielen Bauchorganen verbunden und steuert die Verdauung. Welche Yogaübungen geeignet nun sind, ein bestimmtes Chakra zu aktivieren, dazu gibt es keine verbindlichen Aussagen. Irgendwo habe ich gelesen, dass man die Wirbelsäule auf Höhe des Chakras hin- und herbiegen soll. Das ist natürlich sehr vereinfacht. Aber im Falle des Nabelchakras vielleicht doch ein erster Ansatz, mit einer Vor- und Rückbeuge zu beginnen. Dann würde ich Übungen empfehlen, die eben genau zu einer Akupressur im Bauchraum führen wie Apasana.
Chakras bleiben ein spannendes und umstrittenes Thema.